Wenn Sie das Wort „AIDA” hören, woran denken Sie? Vielleicht an Ihren letzten Urlaub auf den bekannten Clubschiffen oder als erfolgreicher Internet-Marketer an die doch sehr bekannte Aida Formel aus dem Marketing?
Besinnen wir uns zunächst zurück: Wofür steht die Abkürzung AIDA?
Attention = Sie müssen auffallen um die Aufmerksamkeit des Kunden zu gewinnen
Interest = Hallo weiterlesen! Sie müssen das Interesse des Kunden wecken
Desire = Du findest mich gut! Sie müssen die Begierde des Kunden anregen
Action = Du willst mich haben! Den Kunden auffordern, zum Kauf bewegen
Das ist sie, die alte Aida – Formel oder AIDA – Methode! Sie ist eine seit den Anfängen des Marketings in den Jahren um 1900 entwickelte Darstellung der aufeinanderfolgenden, über Jahrzehnte hinaus nahezu als unumstößlich geltenden Handlungsabläufe für Verkauf und Werbung.
Worin bestand oder besteht noch immer die Essenz dieser von mir nun als „ alt“ bezeichneten AIDA – Formel?
AIDA bestand aus zunächst 4 (später auf 6 erweitert) systematischen Schritten, um einen Kunden erfolgreich gewinnen zu können:
Schritt 1 von AIDA: Attention – Aufmerksamkeit
In diesem ersten Schritt vermittelt der Anbieter dem Kunden die Grundlage: Er bzw sein Produkt existiert… Denn weiß der Kunde nicht, dass es den Anbieter oder sein Produkt gibt, kann er mit ihm auch keinen Kontakt aufnehmen… Machen Sie erst einmal diesen einen Schritt: Erlangen Sie die Aufmerksamkeit Ihrer Interessenten gerade mit Ihrer Überschrift. Sicher mag es eine Kunst für sich sein, eine wirklich starke Headline zu entwickeln: Der „Godfather of Copywriting and Direct Response Advertisin“ Ted Nicholas lehrt in seinen teuren Kursen, dass seine erfolgreichsten Schlagzeilen nie mehr als 17 Worte enthielten…
Schritt 2 von AIDA: Interest – Interesse
In diesem zweiten Schritt geht es darum, einem potenziellen Kunden zu verdeutlichen, dass ihm hier eine Leistung angeboten wird, die ihm, dem Kunden einen Nutzen bringen könnte. Denn nur dann kann sein Interesse geweckt werden:
„Dadurch können sie erreichen, dass…“
Und hier kommt jetzt der erst später eingefügte Schritt 2a: Proof – Beweis für den Nutzen
Hier sollte der Anbieter seinen Kunden davon überzeugen, dass er beziehungsweise sein Produkt ihm nicht nur einen Nutzen bieten könnte, sondern ihm auch tatsächlich einen Nutzen bringt. „Bereits mehrere Unternehmen in Ihrem Bereich haben damit beste Erfahrungen gemacht.“Oder anders ausgedrückt folgt hier der „Kunde, ich verstehe dich“ – Abschnitt: Denn nur wenn es Ihnen auch gelingt, dass Ihr Leser sich voll und ganz von Ihnen verstanden fühlt, dann wird er auch (aktiv und nicht nur gelangweilt) weiterlesen…
Schritt 3 von AIDA: Desire – Wunsch
Hier soll beim Kunden der Wunsch entfacht werden, dieses Produkt zu besitzen… Doch er entscheidet sich noch nicht. Und da ist jetzt ein Nachhaken erforderlich: Geben Sie unbedingt wertvolle Tipps! Damit etablieren Sie sich als Experte und steigern das Vertrauen in Sie und Ihr Produkt. Und verwenden Sie Sätze, die genau das erreichen… „Wussten Sie eigentlich, dass… ” oder „Meine fünf wertvollsten Tipps für…” – Sie gestalten also um: Ihre Verkaufsseite wird nun nicht mehr als eigentliche Verkaufsseite wahrgenommen, sondern eher als Ratgeber-Seite, denn Sie geben ja bereits jetzt unglaublich viele wertvolle Informationen preis… Jetzt gilt es, den entstandenen Kaufwunsch in eine Kaufentscheidung zu überführen.
Schritt 4 von AIDA: Action
Der derzeit noch unsubstantiierte Kaufwunsch muss in die Kaufentscheidung überführt werden. Hier: Aufforderung zur Tat: „Lassen Sie uns zu einem Kosten- Nutzenvergleich einen Termin vereinbaren.“ Anschließend wird meist noch ein Bestätigungs-Schritt eingebaut: Die Satisfaction – Zufriedenheit Und wie weit können Sie heute noch mit dieser 4-Stufen Formel erfolgreich im Internetzeitalter agieren?
Vergegenwärtigen wir uns doch:
So wirklich falsch kann diese „alte“ AIDA-Formel doch nicht gewesen sein, wandten sie doch über Jahrzehnte nahezu alle an Werbung und Marketing Beteiligten erfolgreich an: Und doch sollten wir den Ansatz dieser AIDA – Formel hinterfragen: Denn ist Tradition alleine ein schlagender Beweis für ihre zukünftige Wirksamkeit? Eine überraschende Antwort darauf kann die neuere Hirnforschung geben, auf die ich in meiner Artikelreihe „warum verhalten wir uns eigentlich so, wie wir uns verhalten“ hingewiesen habe: Und sie sagt lapidar einfach:
Es läuft doch etwas anders, als man bisher angenommen hat… Und so ist aufgrund neuerer Untersuchungen in der Gehirnforschung erwiesen: Die ersten Orientierungskontakte mit Werbung werden wahnsinnig schnell von einer Art „Autopiloten“ im Gehirn erledigt:
In dieser nur Bruchteile von Sekunden ausmachenden Zeit werden die erfassbaren Bild- und Textelemente unbemerkt (!) – also implizit – mit den vielen, bereits im Gehirn vorhandenen, abgespeicherten Erfahrungen, Eindrücken, Urteilen etc abgeglichen und für rd 80 % des weiteren Handelns fixiert!
Und hier bereits entscheidet es sich: Nehme ich (bzw mein Gehirn) die angebotene Werbung positiv auf – oder verweigere ich mich bereits jetzt? Erst wenn meine geplante Entscheidung positiv zu meinen bisherigen Erfahrungen, Erwartungen und Wünschen passt, mir also auch einen wahrnehmbaren Vorteil bieten wird, setzt die zweite Stufe meiner Gehirnarbeit ein: Jetzt wird überprüft, ob und in wieweit meine mittels ursprünglichem Autopiloten getroffene Entscheidungen auch rational überprüft Bestand haben können…
Und dafür hat nach wissenschaftlichen Erkenntnissen mein „normales Denken“ eine Leistung von 40 Bit, gegenüber einer Leistung von rd 10 Millionen Bits meines trainierten Autopiloten –
Sie sehen diesen himmelweiten Unterschied? Und da fragen Sie sich, warum es den Adressaten der Werbung so unendlich schwer gemacht wird, eben diese Werbung schnell und gezielt aufzunehmen??? Wenn Sie dann noch bedenken, in dem Ihnen für Ihre Werbung zur Verfügung stehenden Zeitfenster von nur ein bis zwei Sekunden können die Augen des Users wirklich nur fünf bis zehn Mal anhalten, um dann jeweils nur eine Fläche zu fixieren, die in etwa der Größe einer Zwei-EURO-Münze vergleichbar ist?
Wird mit diesen neurologischen Erkenntnissen nicht das alte AIDA-Modell über den Haufen geworfen? Wenn wir dieses Wissen aus der Gehirnforschung umsetzen, müsste da dann nicht ein ganz neuer AIDA-Ansatz herauskommen? Strukturieren wir diese fünf einfachen, aber grundlegenden Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Forschung in unsere Werbemassnahmen um, dann müssen wir uns fragen:
- Kann der Leser in den ein bis zwei zur Verfügung stehenden Sekunden genau die Elemente registrieren, die für ihn die Schlüsselsignale darstellen?
- Kann der Leser die Bedeutung dieser Signale umsetzen, passen also diese Signale zu seinen Vor(ein)stellungen?
- Sind diese Signale so angeordnet, dass sie auch mühelos „ins Auge fallen“?
- Kann der Leser eine für ihn relevante Belohnung erkennen? Denn ohne Belohnung entsteht kein Verhalten, es passiert nichts!
- Nutzen Sie die im Gehirn bereits abgespeicherten Betrachtungsschwerpunkte wie Bilder und persönliche Daten?
Setzen wir diese Erkenntnisse der neueren Gehirnforschung auf die alte AIDA-Formel um, erkennen wir: Mit dieser alten Formel wird nicht „gehirngerecht“ agiert: Das subjektive Empfinden von uns als „Macher“ ist oft meilenweit von dem entfernt, was unsere Zielgruppe aufgrund ihrer Vor(ein)stellung empfindet…
Und so muss mit diesem gehirngerecht angewandten Hintergrundwissen das eigentliche, zielgerichtete „Ansprechen“ des Autopiloten im Leser in eine gänzlich neue AIDA-Formel gebracht werden:
Andocken: Sensorischer Kontakt
Implizite Aufnahme: unbewusstes Verarbeiten durch den Autopiloten
Denken: Bewusstes Verarbeiten der Signale
Aktion: Entscheidung: Ja oder nein
AIDA besteht also auch weiterhin aus 4 aufeinanderfolgenden Schritten:
Schritt 1 – Andocken: Wir haben 5 Sinne (Auge/Ohr/Geruch/Geschmack/Fühlen) zur Informationsaufnahme. Mit diesen 5 Sinnen (oder zumindest einen Teil davon) muss die Werbung Kontakt aufnehmen, versuchen sie zu erreichen, versuchen, an unsere Sensoren anzudocken
Schritt 2 – Implizite Aufnahme: Unser Gehirn verarbeitet die Sinneswahrnehmung zunächst per Autopilot und vergleicht sie mit abgespeicherten Erfahrungen in nur Sekundenbruchteilen
Schritt 3 – Denken: Erst in diesem Schritt erfolgt das bewusste, explizite Verarbeiten der aufgenommenen Signale, das rationale Abwägen der Vor- und Nachteile des Angebotes
Schritt 4 – Aktion: Die Entscheidung ist getroffen, es kann die gewünschte Wirkung eintreten oder auch nicht.
Nehmen Sie sich die Zeit und überdenken Sie die alte AIDA-Formel, nutzen Sie die neue Gehirnforschung für Ihre Arbeit und setzen Sie sie Schritt für Schritt um, empfiehlt Ihnen Ihr
PS: Weiteres Hintergrundwissen finden Sie in meiner kleinen Artikelserie: „warum verhalten wir uns so, wie wir uns verhalten“.
13 Comments
Dr. Hans-Jürgen Karg
Ja, Rouven, da haben Sie vollkommen Recht: Nichts ist schlimmer, als in eingefahrenen Mustern zu denken… Grüsse Dr. HJ Karg
Rouven
Gerade in der Werbung und Technik kann es mitunter fatal sein fest eingefahren in seinen Mustern zu denken. Kann der neuen AIDA nur voll zustimmen 😀
Hannes
Das lerne ich gerade in meiner Ausbildung im Fach:
Betriebswirtschaftliche Prozesse
Ist garnicht so einfach, aber danke deines Beitrags dazu, habe ich das ganze echt besser durchblicken können 😉
Danke dafür!
Grüße Hannes
Michael Marheine
Ich kann den Artikel nur als richtig bezeichnen. Klar ist das Uni-Wissen, das Gelehrte auf der Schule allemal nicht falsch, aber wie wir bei der heutigen Entwicklungsschnelligkeit in Bezug auf neue Medien und Technik einfach wissen, ist der Zug längst weiter, als die Lehranstalten.
Wenn neue Erkenntnisse in den Schulen erkannt werden, Schulen das dann erst durchdiskutieren, irgendwann nach ein paar Jahren neue Bücher anschaffen, die Gelder von Ministerien genehmigt wurden, dann dauert das wieder mit der Bestellung, der Vorlage in allen Schulen … das hat funktioniert vor Jahrzehnten, aber heute eben nicht mehr. Bis dann das relevante Wissen in den Sälen der Unis gelehrt wird, ist vielleicht schon das nächste Update längst nötig.
der Michael Marheine
Zahnarzt
Oh wie wahr. AIDA hat sich geändert – Das Internet ist das sicherlich mit verantwortlich über das geänderte Verhalten wie wir auf Informationen reagieren bzw. uns diese beschaffen.
Dr. Hans-Jürgen Karg
Hallo Marco,
braucht es wirklich noch Nachweise, die meine Aussage bestätigen?
Glaube ich kaum, denn mit der alten AIDA-Formel war es doch ganz gut, nur hat sich diese unsere Welt weiterentwickelt…
Also: Seien Sie offen für Neues Denken, und dann wird diese neue AIDA-Formel auch bei Ihnen ein fester Bestandteil Ihres neuen Marketings sein…
… da bin ich mir sicher meint Ihr Dr.HJ Karg
Marco
Hört sich sehr Interessant an, nur frage ich mich, gibt es denn wirklich Nachweise die Ihre Aussage bestätigen?
Mit der jetzigen AIDA-Formel ist die Welt bis heute ziemlich gut zurecht gekommen. Und wie Sie sicherlich wissen, sind Gewohnheiten sehr schwer abzugewöhnen.
Man muss einfach offen für neues sein, dann könnte die neue AIDA-Formel ein Bestandteil des neuen Marketings sein.
Dr. Hans-Jürgen Karg
Ja Jenny,
die alte AIDA-Formel war schon für Generationen „Lernender“ gut, die Abwandlung noch besser, doch aus meiner Sicht muss das Ganze heute umgedacht werden, denn nach meiner Meinung steht und fällt die Reaktion beim User mit der wirklich „sensiblen“ Ansprache, da mögen manche Internet-Päpste von Erfolgen in 24 Stunden oder 8 Tagen sprechen, für mich zählt hier die lange Erfahrung, und die sagt: Nimm nicht die alte AIDA Formel, vertrau der Neuen AIDA Formel…
… meint HJK
PS: Erfahrungen mit der AIDA-Formel? dann bitte mitteilen…
Jenny Weber
Das ist ja wirklich eine gelungene neue Form dieser eh schon tollen Formel. Ein fantastischer Beitrag!
Habe mir Ihren Beitrag gleich abgespeichert.
Hatte auch die Erfahrung gemacht, dass man möglichst sensibel und unaufdringlich versuchen sollte, die Sensoren der Menschen zu erreichen. Ist von beiden Seiten betrachtet nur gar nicht so einfach.
Meiner Meinung nach ein schwieriger Themenkomplex, mit dem man sich zwingend tiefer beschäftigen müsste.
Dr. Hans-Jürgen Karg
Hallo, ja Sie verstehen es richtig, die alte AIDA Formel bestehend aus Attention, Interest, Desire und anschliessender Action ist im heutigen Internet 3.0 wirklich überholt, auch wenn manche Lehrbhücher heute noch daran festhalten… Sie war es ja auch schon vor Jahren, als die Erweiterung der AIDA Formel Einzug in das Marketing genommen hatte, bei Fragen, einfach Fragen
meint HJK
Web Development
verstehe ich es richtig, Attention, IInterest, Desire und anschliessende Action ist jetzt völlig überholt?
Dr. Hans-Jürgen Karg
Hallo Klaus,
einfache Frage, schwierige Antwort:
Ich möchte mich mit dem vermittelten Wissen Ihrer Professoren sicher nicht auseinandersetzen, nur ist die „alte AIDA“ Formel wirklich nicht mehr zeitgemäß, um es „vorsichtig“ auszudrücken…
… und mir geht es nicht darum, vielleicht noch gerade aktuelles „Universitätswissen“ meinen Lesern mitzugeben, sondern sie auf der Höhe des aktuellen Wissens und vor allem der Internetanwendung zu halten…
… weiterdenken schadet nicht – auch nicht im Studium – meint grinsend HJK
Klus
Hallo Herr Dr. Karg,
verstehe ich es richtig, Attention, IInterest, Desire und anschliessende Action ist jetzt völlig überholt?
Gerade hatten wir dieses Muster in der Vorlesung als Nonplusultra ds BWL-Wissens! Was jetzt? klaus