Ein Nein ist auch mal gut…
Warum nicht einmal NEIN sagen? Das Tun, was man selbst für richtig hält, nicht was andere von einem erwarten?
Geht nicht, sagen Sie jetzt…
Warum? Wenn wir uns auf das für uns Wesentliche konzentrieren, können wir doch viel leichter durch stressige Zeiten navigieren… Geht nicht, sagen Sie jetzt…
Geht aber doch…
… entgegne ich Ihnen und habe eines der klassischen „geht doch“ Beispiele aus meiner Nachbarschaft parat:
Sie konnte endlich das, was viele Mütter nach einer Geburt schaffen:
Die Außenwelt abschalten, Erwartungen ignorieren, vorgebrachte Wünsche endtäuschen… Einfach ohne Schuldkomplex „Nein“ sagen…
„Das ist ja eine Ausnahmesituation“ höre ich Sie sagen, „das kann ich doch nicht machen…“
Sicher erfordert ein Nein ein gutes Selbstbewusstsein, aber ist dieses Nein nicht auch ein wichtiges Wort, vielleicht eine wichtige, notwendige, weil sinnvolle Aktion?
Hilft nicht ein Nein uns auf das zu fokussieren, was (uns) wirklich wichtig sein sollte?
Nein sagen klingt in der Theorie definitiv leichter als es in der Praxis ist. Experten raten deshalb, das Nein sagen zu üben – so lange, bis es ohne langes Überlegen und schlechtes Gewissen ausgesprochen werden kann.
Das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen, ist aber schon der erste Fehler:
Ein einfaches, freundliches Nein muss genügen… Lange Erklärungen müssen nicht sein, warum auch? Unterstreichen können Sie Ihre sachliche Ebene durch Gesten wie Arme verschränken oder langsam den Kopf schütteln. In jedem Fall gilt: Sie müssen hinter dem Gesagten voll und ganz stehen, damit Ihre Absage auch authentisch wirkt.
Nein Sagen verändert nicht die Beziehung zum Gegenüber
Die größte Schwierigkeit am Nein sagen hat auch damit zu tun, dass es immer zwei Seiten betrifft:
Denn wer sich zu einem Nein durchgerungen hat, muss immer noch die Reaktion der Gegenseite aushalten.
Haben Sie bislang nur wenige Dinge abgelehnt, ernten Sie von Freunden oder Verwandten dann schon mal ein recht verständnisloses „Was ist denn mit dir los?“.
Ich habe dies vor langen Jahren konsequent durchgezogen, lassen auch Sie sich von solchen zu erwartenden Reaktionen nicht irritieren: Wichtig ist doch nur, das auszuhalten und sich treuzubleiben, auch wenn´s anfangs Überwindung kostet.
Doch mit jedem Nein wird es in Zukunft leichter:
Ihnen bietet sich die Chance, Ihr Selbstbild zu erweitern: Erkennen Sie, dass Sie auch mal böse sein dürfen und nicht immer hilfsbereit sein müssen! Bedeutet dies nicht einen ganz großen Gewinn an Freiheit?
Fragen wir uns:
Wieso besitzen andere Menschen die Macht, in uns das Gefühl einer Verpflichtung zu erzeugen, ihnen helfen zu wollen (oder besser: zu müssen?)
Die wohl verbreitetste Form unserer Manipulation wird mit Reziprozität bezeichnet… (Gegenseitigkeit).
Denn wer etwas für andere Menschen tut (ein billiger Kugelschreiber als Werbegeschenk reicht schon aus) erzeugt in ihnen das Bedürfnis, sich zu revanchieren. Dieses Revanchieren kann auf zwei Arten passieren: Proaktive Reziprozität und reaktive Reziprozität.
Proaktive Reziprozität
Man tut dem Anderen von sich aus auch einen Gefallen. Man schenkt ihm ebenfalls einen billigen Kugelschreiber – und die Welt ist in Ordnung.
Reaktive Reziprozität
Der andere bittet um einen Gefallen, nachdem er uns einen Gefallen getan hat. Hier ist der erbetene Gefallen oft deutlich größer, als der billige Kugelschreiber – und genau hier liegt das Problem.
Machen Sie es doch wie ich: Kleine Geschenke, deren einziger Zweck darin besteht, mich zu manipulieren, nehme ich grundsätzlich nicht an (auch wenn´s mir manchmal schwer fällt). Ich löse dieses „Verpflichtungs-Problem“ also bevor es entstehen kann.
Wenn Sie eigentlich gerne nein sagen würden, sich aber emotional zu einem ja hingezogen fühlen, sollten Sie sie sich die folgenden Fragen stellen:
Wodurch wird das Gefühl Ihrer Verpflichtung ausgelöst?
Nächste Frage:
Steht die Sache, zu der Sie sich verpflichtet fühlen in einem gesunden Verhältnis dazu?
Mit anderen Worten: Hat man mir einen billigen Kugelschreiber geschenkt und nun fühle ich mich dazu verpflichtet, die Lebensversicherung abzuschließen?
Darum geht es doch: Sie müssen langsam aber stetig ein Bewusstsein für die eigenen Gefühle entwickeln, um rational beurteilen zu können, ob diese Wünsche, Forderungen oder vorgebliche Verpflichtungen wirklich angebracht sind. Wenn nicht, dann ist es völlig okay nein zu sagen.
Verstehen Sie mich recht: Es ist natürlich nicht falsch, anderen einen Gefallen zu tun, wenn Sie dies auch wirklich möchten.
Anderer Gedanke: Sehen Sie sich doch einmal in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis um:
Finden wir nicht gerade die Menschen sympathisch, die Ihre Ziele klar verfolgen und uns sagen: „das mache ich – und das mache ich nicht!“
Bei diesen Menschen ist es doch – auch wenn Sie mal Nein sagen – angenehm zu wissen, woran wir sind…
Sie müssen sich natürlich nicht völlig neu erfinden, Klein anzufangen ist doch auch okay, also vielleicht nicht sofort nachgeben… Sie können die Antwort doch auch auf morgen verschieben:
Ihr „Ich melde mich morgen“ lässt Sie in Ruhe überlegen: „Ja oder Nein“ und nimmt den spontanen Druck aus Ihrer Antwort, Sie kommen endlich aus dem Automatismus Ihres JA-Sagens raus…
Sie müssen nur anfangen, es funktioniert. Lernen Sie durch tagtägliches Üben sich eine „rauere Schale“ zuzulegen, lassen Sie sich von Ihrer Umwelt nicht weiter manipulieren!
Wünscht Ihnen Ihr