Wo holen Sie denn Ihr Internet-Wissen her?
Alles nur noch Jux und Tollerei, vorgelebte echte Verarschung im Internetmarketing, nur noch „mein Boot, meine Hybris, mein arrogantes Runterschauen“ auf Euch „Deppen, die bei uns auch noch kaufen wollen“ ???
Oder gibt es noch andere Töne im Internet? Im Geld im Internet verdienen?
Vielleicht nicht ganz so arrogant großspurig, vielleicht etwas dezenter, aber dafür weit fundierter mit echtem Wissen versehen als es Heiko Häusler und Dirk Michael Lambert mit ihrer derzeitig vorgeführten Internetabgreife vorführen, sorry: es heißt ja Lounch, je schaffen werden, wirkliches Wissen im Internet zu vermitteln…
Und das geht dann soweit, dass diese Wichtigtuer dann auch noch auf dem Blog verlautbaren:
„PS.: Ich bin das lebende Beispiel, dass man 30.000 Euro in 30 Tagen verdienen kann! Tönt der Inhaber von: http://www.online-…-…24.com dessen Webseite bei Alex (über deren Ranking man denken kann, was man will…) noch nicht einmal gelistet ist…
Ja, da bedanken sich die allseits berühmt berüchtigten, immer und überall präsenten Internet-Lounch-Claqueure neben den naiven InternetmarketerNeulingen doch allen Ernstes für das „von Heiko Häusler und Dirk Michael Lambert“ zur Verfügung gestellte Wissen…
Frage ich doch mich naiv: Für welches „Wissen“ in den Video-Trailern bedanken sie sich denn???
Oder noch naiver gefragt:
Was verstehen wir denn unter „Wissen“?
Denn das derzeitige Internet ist mit seinen Entwicklungen und Entwicklungstendenzen neben diesen Entgleisungen doch wirklich wert, etwas tiefer und vielleicht auch reflektierter betrachtet zu werden:
Haben Sie sich darüber schon einmal Gedanken gemacht?
Nicht nur so LALA: Frei nach der Methode: „Wissen ist, wenn ich…“ oder kurz mal zu Günter Jauch reingesehen, ja bei dem ist angeblich tolles Wissen bei der 500.000 EURONEN-Frage gefordert!
Wirklich?
Ist dieses Beantworten-Können einer (dummdämlichen) Frage das wirkliche Wissen?
Halten wir uns doch einfach einmal vor Augen:
Unsere Computer werden immer besser, warum eigentlich, was haben wir denn davon? Gab es eigentlich kein Leben vor dem Computer? Wenn Sie jetzt antworten: „ist die technische Entwicklung“, sorry, da sehen Sie dann wirklich nicht „dahinter“. Was macht denn unsere Computer eigentlich wirklich besser:
Dieses statistische Lernen bringt unsere Computer auf Vordermann! …
„Verstehen“ können uns unsere Computer derzeit immer noch nicht, aber aufgrund der vorhandenen Datenfülle können sie das, was wir als „Bedeutung eines Satzes“ bezeichnen, immer besser analysieren, eingrenzen, immer besser darstellen!
Im Internet besteht eine unüberschaubar große „Menge“ an digitaler Sprache, die analysiert, intern verglichen zu immer besseren Interpretationen von Bedeutungen führt…
Und wenn wir diese Entwicklungsmöglichkeiten genauer betrachten, dann haben wir hier den nächsten „Knackpunkt“.
Diese neuen, unübersehbar großen Datenmengen müssen analysiert werden, es bedarf immer neuer, weiter entwickelter Algorithmen, die diese Datenmengen auch bewältigen…
Gehen wir zum einfacheren Verständnis kurz einen Gedanken zurück:
Was war denn die ursprüngliche Bewältigung von großen Datenmengen:
Menschliche Arbeitskraft kam den Anforderungen, was an vorhandenen Informationen betrachtet, gewertet, umgesetzt und auch formatiert werden muss, nicht mehr nach, Sergey Brin und Larry E Page legten 1998 mit Ihrem Aufsatz zum Algorithmus die Grundlage für eine computergestützte Analyse und vor allem dann für Google…
Diese Suchmaschine zu nutzen erscheint für die meisten User schneller und zielführender zu sein als die Befragung eines Experten, selbst wenn dieser unmittelbar neben einem säße. Was dazu geführt hat, dass wir in nahezu allen Lebenslagen doch „lieber Google fragen“. Und zwar: Alles.
Google ist also der unumstößliche Index unserer Wirklichkeit?
Um das halbwegs zu verstehen, sollten Sie sich die Entwicklung des Internets der letzten Jahre einfach einmal vor Augen halten:
Waren die ursprünglichen Suchmaschinen einfach nur dazu gedacht, das Netz nach relevanten, faktisch wie ein „ursprüngliches Lexikon gespeicherte, nicht diskutierbare Informationen“ zu durchforschen und zu veröffentlichen, je nach Wichtigkeit an erster… Stelle in einer vorgegebenen Hierarchie der Kompetenz.
So können sie heute zB mittels der bekannten israelischen Software »Pudding« beispielsweise mittels einfacher Spracherkennung während eines Telefongesprächs fundierte, zeitnahe Hintergrundinformationen erhalten.
Wenn man mit dieser Software verbunden ist, schlägt sie vollautomatisch Hintergrundwissen und auch vollständige Artikel zu dem jeweilig im Gespräch angeklungenen, relevanten Thema vor, für den User in einem Callcenter hervorragend geeignet.
Oder auf Ihren Eigengebrauch reduziert: Diese Software empfiehlt Ihnen, noch während Sie versuchen, Ihre Verabredung zum Abendessen „in trockene Tücher“ zu bekommen, eine Reihe von entsprechenden, vielleicht wirklich angesagten Restaurants.
Im Klartext:
Ja, wir sind soweit: einfach nur Suchworte erkennend, wird Ihr individuelles Gespräch mit thematisch relevanten Links versehen.
Und es geht noch besser:
Seit nicht mehr nur Menschen, sondern vor allem auch Algorithmen individuelle Texte schreiben können sollten Sie das prominenteste Beispiel kennen: die Software Stats Monkey, die ganz einfach Sportreportagen „wie von selbst“ verfasst.
Der ihr eigene Algorithmus erkennt anhand der Eckdaten eines Spielverlaufs den Aufbau des Matchs! Er durchsucht dann dazu das Internet nach weiteren Quellen, fügt ein Zitat und auch das Bild des im konkreten Spiel wichtigsten Spielers hinzu, er errechnet aus all diesen Eingaben eine eigene Überschrift und erstellt so einen neuen, nahezu „eigen“ durchgeschriebenen Spielbericht.
So und da haben Sie jetzt wirklich noch Fragen, was alles aus dem unerschöpflichen Informationsangebot mittels Algorithmen gemacht werden kann? Sie sind etwas sprachlos?
Überrascht, das kannten Sie noch nicht? Was ist denn los mit dem „Wissen“?
Denn anstatt Informationen wie ursprünglich wie in einem Lexikon als unumstößlich vorgegebene Fakten zu behandeln, werden heute die Ergebnisse aus der Suche im weiten Internet dem Nutzer als Liste präsentiert, aus der er das angebotene „Wissen“ nur mehr auszuwählen hat!
Dieses „neue“ Wissen wird somit nicht mehr als ursprüngliches „verbindliches Wissen“ wie (früher) aus einem Lexikon, quasi von einer hohen Institution ausgewählt, aufgezwungen dargeboten. Nein, es geht einen großen Schritt weiter: Dieses neue Wissen und damit auch das Wissensverständnis wird demokratisiert, indem jeder User selbst vor die Entscheidung gestellt wird, zu entscheiden: was ist für mich relevant, was nicht.
Endlich ist es soweit:
Ich als User kann – und sollte auch bewusst – entscheiden, welchen Bereich dieses angebotenen Wissens ich für mich akzeptiere…
Und da stellt sich für mich die vielleicht naive Frage:
Was ist denn eigentlich „Wissen“, wie kennzeichne ich es, wie wende ich dieses – mir verfügbare – Wissen denn überhaupt an…
Und da muss ich mich auch noch fragen:
Besteht Wissen nicht aus „Mehr“ als nur den Informationen aus ersten 3 oder 5 Treffern bei Google?
Wissen wird heute also nach neueren und vor allem anderen Regeln bestimmt als ehemals von Brockhaus, Duden etc, die früher das „Dogma des Wissens“ für sich beanspruchen konnten.
Wenn wir uns die Möglichkeiten intelligenter Wissensaufbereitung ansehen, stelle ich mir die naive Frage: Ist das noch
Wissen heute, ist das noch Überlieferung wissenschaftlichen Inhalts?
Ist diese algorithmische Intelligenz der Suchmaschinen wirklich das, was wir brauchen?
Von wem wird denn vorgegeben, was wird denn wie bewertet, gefiltert, ausgesiebt, einfach durchstrukturiert wird?
Wer trifft denn diese Entscheidungen: (vielleicht manipulierte) Suchmaschinen-Algorithmen, minderbezahlte studentische Hilfskräfte, outgesourcete, billige Handlanger in Indien, wissenschaftliche Mitarbeiter bei den Universitäten in good Old Germany?
Wo bleibt denn das Denken? Wo bleibt das Denken „dahinter“, verkümmert es wirklich nur noch zu einem unbedarften „googeln“?
Oder sind kreatives Denken, das (immerwährende) Hinterfragen von Informationen und die einfache, eigene Urteilsfähigkeit heute wirklich nicht mehr gefragt?
… meint Dr. Hans-Jürgen Karg
PS. Anregung zu diesem Artikel gab mir im Urlaub das neueste Buch von Mercedes Bunz „Die stille Revolution…“ es ist wirklich lesenswert, wenn auch aufgrund seiner Wissensvermittlung recht schwer verdaulich, es ist erhältlich auch über Amazon.